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Karl August Lingner

Kurzbiographie

1861 Lingner wird am 21.12.1861 in Magdeburg geboren
1876 Handlungsgehilfe in Gardeleben
1883 Umzug nach Paris
1885 Rückkehr (mittellos) nach Deutschland
1886 Anstellung in einer Nähmaschinenfabrik in Dresden
1888 Firmengründung Lingner & Kraft
1892 Gründung Dresdner Chemisches Laboratorium Lingner
1911 1. Internationale Hygiene-Ausstellung
1912 Gründung des Deutschen Hygiene-Museums Dresden
1912 Umbennung in Lingnerwerke
1916 Tod am 5.6.1916 in Berlin nach einer Operation

Leben und Werk

Lingner wurde am 21. Dezember 1861 als dritter Sohn eines Kaufmanns in Magdeburg geboren. Hier besuchte er die städtische Höhere Gewerbeschule. 15-jährig geht Lingner in das märkische Gardelegen und arbeitet als Handlungsgehilfe in einem Warenladen. 1883 zieht es Lingner nach Paris. Sein Vorhaben, Musik am Pariser Konservatorium zu studieren, scheitert ebenso wie seine Tätigkeit als Handelsvertreter für deutsche Firmen. Mittellos kehrt er 1885 nach Deutschland zurück. In Dresden findet er eine Anstellung als Korrespondent in der Nähmaschinenfabrik Seidel & Naumann.

Mit dem Techniker G. W. Kraft (1855-1929 ?) gründet Lingner 1888 die Firma Lingner & Kraft. Die Produktion in einer Gartenlaube auf der Wölfnitzstraße umfasst u. a. Rückenkratzer, Stahllineale und Federreiniger. 1892 verlässt Kraft das Unternehmen. 1891/92 bietet nach mehrjähriger Forschungsarbeit Lingners Freund, der Chemiker Dr. Richard Seifert (1861-1919), Lingner die Rezeptur eines Antiseptikums zur Vermarktung an und eröffnete ihm damit den Zugang zu den maßgebenden Arbeiten der modernen Bakteriologie. Da die Mundhöhle als die Haupteintrittspforte krankheitserregender Bakterien galt, entschließt sich Lingner zur Herstellung eines Mundwassers. Mit der Herstellung des „Odol“ (von lat. odus - Zahn und oleum - Öl) kam Lingner dem Bedürfnis breiter Bevölkerungsschichten nach Schutz vor den unsichtbaren Bakterien nach - sein Produkt fand daher reißenden Absatz.

Am 3. Oktober 1892 gründet Lingner das Dresdner Chemisches Laboratorium Lingner. Ab 1912 firmierte das Unternehmen als "Lingner-Werke". Die Produktion wuchs ständig, letztendlich wurde das Stammhaus der Lingner-Werke auf der Nossener Straße 2/4 etabliert und ein weltweites Fabrikations- und Vetriebssystem aufgebaut. Lingner entwickelte, gemeinsam mit dem Chemiker Prof. Richard Seifert, Odol zu einer unverwechselbaren Marke und fand als Mitbegründer der Markenartikelindustrie und modernen Werbung Eingang in die allgemeine Industriegeschichte.

Innerhalb weniger Jahre erwirtschaftet Lingner aus dem Nichts ein zweistelliges Millionenvermögen, das ihm einen fürstlichen Lebensstil ermöglicht. Fortan begleiten Neid und Missgunst den Erfolgreichen, der u.a. die Villa Stockhausen (heute eher bekannt als Lingnerschloss) in Dresden und das Schloss Tarasp in der Schweiz zu seinem Immobilienbesitz zählt. Er ist Mitglied im elitären Kaiserlichen Motorjachtklub und sorgt für Aufsehen mit seiner Motorjacht auf der Kieler Woche. Standesgemäß lenkt Lingner als Vorsitzender des Sächsischen Automobilklubs einen Mercedes. Rauschende Feste, sein Orgelspiel, zwei uneheliche Kinder und augenscheinliche Männerfreundschaften bewirken Aufsehen, Bewunderung und Ablehnung. Im wilhelminischen Ehrsystem steigt er bis zum Rang einer Excellenz, einem Ministerrang ehrenhalber vergleichbar, auf. Doch der erfolgreiche Genießer hat mehr zu bieten als ein ausschweifendes Leben und Titel.

Durch die Beschäftigung mit dem Desinfektionswesen seiner Zeit kam Lingner zum Studium der sozialhygienischen Literatur. Er erkannte die bestehende Unkenntnis der Bevölkerung bezüglich der Entstehung und Verbreitung von Erkrankungen und setzte in der Folge einen großen Teil seines Millionenvermögens für die hygienische Volksbelehrung und zur Unterstützung gemeinnütziger Einrichtungen ein. Hier seien insbesondere die Ausstellung Volkskrankheiten und ihre Bekämpfung 1903 und die erste Internationale Hygiene-Ausstellung 1911 in Dresden hervorgehoben. Letztere erreichte mit über 5 Millionen Besuchern die Dimension und Anerkennung einer Weltausstellung für Gesundheit. Die von Lingner entwickelte Ausstellungsmethodik macht ihn zum Vorreiter der modernen hygienischen Volksbelehrung.

Lingner verstand es, kompetente Mitarbeiter für seine gemeinnützigen Pläne zu begeistern bzw. moderne Projekte zu unterstützen. Genannt seien die Kinderpoliklinik mit Säuglingsheim in der Johannstadt 1897, die erste Säuglingsklinik der Welt 1898, die Zentralstelle für Zahnhygiene 1900, die Öffentliche Zentralstelle für Desinfektion 1901, die Desinfektorenschule 1902, die Dresdner Lesehalle 1902 und das Deutsche Hygiene-Museum 1912.

1910/11 begründet Lingner mit dem Sächsischen Serumwerk Dresden ein weiteres erfolgreiches Unternehmen in Dresden, er selbst beliefert die kämpfenden Truppen im Ersten Weltkrieg mit Heilseren.

Mit der Gründung des politisch-wissenschaftlichen Archivs 1915 in Berlin versuchte Lingner, die durch den Weltkrieg geschwächte internationale Position Deutschlands zu stärken. Die Visionen zur Gründung einer europäischen Staatengemeinschaft konnte Lingner, der von Gustav Stresemann (1878-1926) als zukünftiger deutscher Botschafter gesehen wurde, nicht mehr verfolgen. Er starb am 5. Juni 1916 in Berlin nach einer Zungenkrebsoperation.

Die testamentarisch begründete Lingner-Stiftung sicherte den Fortbestand seiner gemeinnützigen Einrichtungen. Seinen letzten Wohnsitz, die von Adolf Lohse erbaute Villa Stockhausen, genannt Lingnerschloss, vermachte er der Stadt Dresden „zum Besten der Bevölkerung von Dresden und Umgebung“.

[aus Wikipedia - teilweise angepasst]

 

Testament

Aus dem Originaltestament - hier die für die Gastronomie relevanten Teile:

„Der Stadt Dresden zum Besten der Bevölkerung und Umgegend meine Besitzung

[...] mit allen Gegenständen, die niet- und nagelfest sind, allen Pflanzen und Tieren, mit dem Mobiliar des Pavillons, dem Gobelin im Klavierzimmer, den grossen [sic!] Büsten unter folgenden Bedingungen:

a) Der Park ist der gesamten Bevölkerung zugänglich zu machen;

b) in dem Hauptgebäude evtl. auch in dem Nebengebäude ist thunlichst ein Restaurant oder Cafe mit billigen Preisen einzurichten. Die Preise dürfen nicht wesentlich höher sein als beispielsweise im Lickeschen Bad, im Waldschlösschen, kurz wie in grossen Massen-Restaurants bezw. Cafes. Ich wünsche kein Etablissement nur für reiche Leute erstehen zu sehen.

Der Sinn dieser Bedingung ist: ich will, dass die gesamte Bevölkerung in die Lage gebracht wird, mit einer Ausgabe von 20-30 Pf. [1] die Schönheiten dieser herrlichen in Europa einzigartigen Lage zu geniessen. Ich würde wünschen, dass sich ein intelligenter Leiter finde (wie z.B. mein genialer Freund Kammsetzer), der diese Stätte zu einer allgemeinen Freudenstätte organisiert: Anlegeplatz für Dampfschiffe, Kahnpartien, massenhaft Gondeln und Kähne aller Arten, an der Elbe lauschige Plätzchen (es ist Platz für 20-30 Parteien auf den Obst-Terrassen). Ausnutzung für Hunderte von Personen der entzückenden Elb-Terrasse, evtl. sogar auch der Wiesen an der Elbe. Ein intelligenter Wirt könnte hier viele Tausende von Menschen an Sonn- und Feiertagen glücklich machen, [...]

[Archiv des Deutschen Hygiene-Museums. Karl August Lingners Testament. (Abschrift). K826]

[1] Um dieser Verfügung gerecht zu werden, bieten wir ein wechsendes alkohoholfreies Getränk an, welches € 0,75 kostet. Dieser Preis entspricht genau den geforderten 25 Pf. aus dem Jahre 1916.

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